Es war Winter im Märchenwald Steiermark und die kleinen Wege waren von einer dicken Schneeschicht bedeckt. Ab und zu sah man ein paar Bewohner, die mit dem Besen den Schnee vor ihrer Haustür wegfegten, damit sie keine kalten Füße bekamen, wenn sie hinaus- oder hineingingen.
Mauli und Maulinchen, die beiden Maulwurfgeschwister schmückten gerade die Fenster mit Strohsternen, denn das Weihnachtsfest rückte immer näher, als es plötzlich klopfte.
Als Maulinchen die Tür öffnete, wurde sie stürmisch von ihrer Freundin Lina, dem Hasenmädchen, begrüßt: „Kommst du mit mir raus einen Schneemann bauen? Ach bitte!“
Maulinchen schaute zu ihrem Bruder. Der nickte verständnisvoll. Sie warf ihm einen dankbaren Blick zu und verschwand mit ihrer Freundin nach draußen.
Schon bald hatten sie eine riesige Schneekugel für den Bauch vom Schneemann gerollt. Jetzt fehlte nur noch der Kopf. Und auch den hatten die eifrigen Mädchen rasch fertig.
Lina hatte eine große Karotte mitgebracht und die steckten sie jetzt unter großem Gelächter dorthin, wo der Schneemann seine Nase haben sollte. Aus zwei dunklen Steinen wurden Augen und ein gebogener Zweig stellte einen lächelnden Mund dar. Rechts und links in den Bauch steckten die Mädchen dickere Zweige, damit der Schneemann auch ein paar Arme hatte…
Toll sah er aus, der Schneemann und die Mädchen tanzten vor lauter Freude um ihn herum.
Es war spät geworden und als Mauli sein Schwesterchen zum Abendbrot rief, trennten sich die beiden Freundinnen.
Doch am nächsten Tag waren sie alle beide wieder bei ihrem Schneemann. Maulinchen hatte einen alten Hut mitgebracht, den sie ihm aufsetzen wollte.
Doch irgendetwas stimmte nicht…
„Lina, schau mal!“, sagte das Maulwurfmädchen. „Der Schneemann guckt ja ganz traurig. Gestern hat er noch gelächelt!“
Und wirklich. Der gebogene Zweig, der den Mund des Schneemanns darstellte, hatte sich umgekehrt. Die Mundwinkel zeigten nach unten … Er lächelte einfach nicht mehr.
Lina nahm den Zweig heraus und drehte ihn um. „So jetzt lächelt er wieder!“, meinte sie.
Doch wenig später mussten die beiden Mädchen verblüfft feststellen, dass sich der Zweig wieder umdrehte. Der Schneemann schaute traurig. Und es kam noch etwas dazu…Er weinte!
Da wo die Steine saßen, hatten sich kleine Wasserperlen gebildet, die echten Tränen zum Verwechseln ähnelten.
Maulinchen nahm sich ein Herz und sprach ihn an: „Hallo Schneemann! Du siehst so schrecklich traurig aus. Können wir dir irgendwie helfen?“
Lina sah die Freundin entgeistert an: „Du… ähm …du weißt, dass… ähm …ein Schneemann …nicht reden kann…?“
Und statt Maulinchen antwortete plötzlich DER SCHNEEMANN:
„Ich bin traurig, weil immer nur ein Schneemann gebaut wird. Ein einsamer Schneemann…! Aber so ein Schneemann möchte nicht immer alleine sein. Ich zum Beispiel wünsche mir sooooooooooo sehr eine kleine Schneefrau, die immer bei mir bleibt, solange ich lebe. Das würde mich wirklich glücklich machen!“
Maulinchen und Lina sahen sich an. Dann nickten sie dem Schneemann zu: „Das machen wir gerne für dich!“
Und dann begannen sie, eine weitere große Schneekugel zu rollen… Das wurde der Bauch einer wunderschönen Schneefrau.
Der Schneemann freute sich sehr und trug stolz den Hut, den die Mädchen ihm mitgebracht hatten. Und die Schneefrau bekam am folgenden Tag eine herrliche Kette aus trockenen bunten Beeren und Eicheln, die die Mädchen selbst gebastelt hatten.
Auf den Kopf setzte Maulinchen ihr noch einen hübschen Sommerhut und als die beiden Freundinnen sich abends auf den Heimweg machten und zurückschauten, sahen sie einen glücklich lächelnden Schneemann und eine ebenso glücklich lächelnde Schneefrau.
Und das blieb auch so… bis zu den ersten Sonnenstrahlen im Frühjahr.